Von leeren Stadien, dem Herbst und lieben Freund*innen

Georgien
News
Autor:in

žuk

Veröffentlichungsdatum

8. November 2024

Und schon wieder ist eine Woche ins Land gegangen. So schnell geht das immer! Ich war sehr viel in Tbilisi unterwegs und es war sehr toll. Am 24.10. war ich mit Zaleko, Tornike und einem Freund von Zaleko bei deren anderem Sommerhaus und da habe ich ganz tolle Herbstbilder gemacht, schaut:

Ganz herbstlich schaut es aus!

Es ist ganz ländlich dort, wo wir waren.

Danach waren wir ხინკალი (Khinkali) essen. Die sind so, so lecker!

Am Mittwochabend (30.10.) war ich mit David, dem Deutschlehrer, von dem ich schon erzählt hatte, wieder bei einem Fußballspiel im selben Stadion (das ist das Stadion neben dem 30.000-Menschen-Stadion in ვაკე (Vake).

Und zu unserer beider Überraschung gab es organisierten Support!

Tatsächlich habe ich auch wieder das erste Tor verpasst. Gespielt haben die georgischen Frauen gegen die irischen. EM-Playoffs, Uefa-Spiel. Es gab eine deftige 0:6-Pleite, aber es waren ungefähr 500 Zuschauer*innen da. Nationalmannschaft scheint zu ziehen. Das ist vermutlich auch der Grund für den Support.

Und es gab richtige Fangesänge und Trommel und alles! Wie schade, dass wir nicht verstehen konnten, was sie gesungen haben. Ich hab eine Aufnahme gemacht, die muss ich unbedingt mal noch unserer Georgisch-Lehrerin vorspielen. Ich würd so gern wissen, was die singen!

Von den Wahlen habe ich schon ausführlich berichtet, seitdem gab es nochmal eine größere Demonstration und die Ankündigung von der Opposition, in den Widerstand überzugehen und Straßen zu blockieren. Vielleicht bin ich an den falschen Orten, aber davon habe ich tatsächlich nichts mitbekommen und ich bin etwas enttäuscht, dass die Regierung so leicht davonkommt und die Hoffnung der Georgier*innen so niedrig ist.

Aber vielleicht ist es auch eine Fehleinschätzung. Meine eine Professorin meinte, dass durch die Verweigerung der Opposition, die Mandate im neuen Parlament wahrzunehmen, könnte das Parlament sich nicht konstituieren, wodurch eine Regierungskrise entstünde. Ob das tatsächlich so ist, konnte ich nicht überprüfen (sie ist Medienpsychologin, keine Politikwissenschaftlerin), aber ich gehe davon aus, dass dem so ist. Es bleibt also immer noch spannend – allerdings weniger auf der Straße.

Dann war ich wieder im Stadion, wieder mit David. Das ist übrigens jedes Mal sehr schön und wir haben Spaß dabei, einfach Stadionerlebnis zu haben, auch wenn es manchmal etwas größer sein dürfte…

…denn das Nationalstadion (60.000 Menschen passen da rein) konnte im Stadtderby (!) zwischen დინამო თბილისი (Dinamo Tbilisi) und იბერია 1999 (FC Iberia 1999, ehemals საბურთალო, FC Saburtalo Tiflis) nicht ansatzweise gefüllt werden. დინამო (Dinamo) ist das Bayern München Georgiens, spielt aber nur eine mittelmäßige Saison, die übrigens mit dem Kalenderjahr endet. საბურთალო ist aktuell Spitzenreiter und kommt aus dem Viertel, wo ich wohne, Saburtalo.

Das (fast) leere Nationalstadion. Ein Jammer, dass kaum Leute zum Fußball gehen. Dabei kostete der Eintritt nur 5 Lari! 2,70 €. Es waren ca. 500 bis 1.000 Menschen da.

Ja, es gab ein paar wenige organisierte დინამო-Fans – aber das war eher ein kläglicher kleiner Haufen, der auch sehr sparsam mit Support und Fanliedern umging. In einem tatsächlich ganz ansehnlichem Spiel (das beste bisher) gewann საბურთალო mit 2:0. Derbysieg!

Das ist übrigens David :).

Das war also am 01. November. Am Tag darauf wollte ich mal endlich mehr sehen von თბილისი (Tbilisi). Bisher hab ich vor allem die lauten und großen Straßen, die Plattenbauten საბურთალოს (Saburtalos) und meine Uni gesehen. Und den Bazar, auf dem war ich jetzt auch schon öfter. Jedenfalls habe ich am Samstag dann einen Stadtrundgang gemacht, der in meinem Reiseführer stand und es war ganz wundervoll! Jetzt folgen ganz viele tolle Bilder davon und ich erzähle währenddessen.

Das ist ein Blick von der östlichen Seite თბილისი (Tbilisis). Die Stadt wird nämlich vom მტკვარი (Mtkvari) geteilt. Zu sehen ist eine Festung (ნარიქალა, Nariqala), die muss ich mir nochmal genauer anschauen, am besten wenn dieses Gerüst da weg ist. Da wo die Bäume sind und dahinter ist das Thermenviertel von თბილისი. თბილი heißt nämlich einfach warm – von ebenjenen Quellen, die den damaligen König so beeindruckt haben, dass er seine Hauptstadt von მცხეთა (Mtskheta) nach თბილისი verlegte. Das ist aber auch schon viele Jahrhunderte her. Ganz ganz rechts ist die „Mutter Georgiens“ zu sehen, eine riesige Statue, die über Georgien wacht.

Das ist in der Davids-Kirche. Ich finde diese Fresken so unglaublich schön, weil die Farben so schön harmonieren und ganz matt und voll aussehen.

So schön!

Das ist die მეტეხი Kirche (Metekhi). Im Hintergrund die Mutter Georgiens. Na, wer entdeckt die Gondel?

Ein ganz verträumter Blick über den მტკვარი (Mtkvari). Die Balkonfassade links ist wohl sehr typisch für georgische Häuser.

Das sieht vermutlich vor allem schön aus, ist aber nicht so wahnsinnig alt. Im Hintergrund sieht man schonmal die სამება Kathedrale (Sameba) und rechts auf der Terrasse dieses Hotels habe ich am späten Nachmittag gespeist.

Das Reiterstandbild ვახტანგ გორგასალი (Vakhtang Gorgasali), dem Gründer თბილისის (Tbilisis).

Dann stieß ich durch Zufall auf diese Ruine einer Kirche. Diesem Gotteshaus scheint Gott nicht allzu gewogen gewesen zu sein…

…und so gibt es mitten in der Altstadt (genauer: dem armenischen Viertel მეტეხი, Metekhi) überwachsene Gemäuer.

Wie schön, dass man solche Orte hier finden kann!

Irgendwie erinnert mich das Bild an den Vorhang des Jerusalem-Tempels, der riss, als Jesus starb.

Ist es nicht schön? Es ist alles so bunt! Wie ein Regenbogen! (Oh, war das jetzt schon wieder politisch?). Die hängenden Etwasse (Etwanten, Etwae, ach keine Ahnung) sind übrigens mit Weingelee übertünchte Nüsse, Soldatennahrung. Die mit Walnüssen sind ganz toll!

Diese Kirche ist vor allem groß und sie heißt სამება (Sameba). Sie wurde in den frühen 2000ern eröffnet und ist seitdem ein Wahrzeichen der Stadt. Warum gibt es eigentlich kaum schöne Kirchen in Deutschland, die nach 2000 eröffnet wurden?

Weder an Geld noch an Platz wurde beim Bau gespart. Es ist wirklich schön und man hat einen wundervollen Blick auf Stadt und Menschen.

Es war ganz schwierig, alles draufzubekommen!

Achso, ich war übrigens auch mit. Drinnen durfte man keine Fotos machen, deswegen musste ich das draußen nachholen.

Schaut euch diese Farben an!

Ich wusste nicht, dass Ikonen auch ein Mosaik sein können. Sehr beeindruckend.

Das ist das Bürgerbüro (glaube ich) von თბილისი (Tbilisi) und ich finde es sieht aus, wie Pilze. Vielleicht auch Schlumpfhäuser? Irgendwie sowas. Ah, oder Bundestagsgebäude… 😂

Und das ist die Friedensbrücke (მშვიდობის ხიდი, Mshvidobis khidi).

Da kann man nur in die Röhre gucken. Das ist eine Konzerthalle, aber sie steht leer. Wie schade! Der Ort sieht irgendwie sehr cool und etwas seltsam zugleich aus. Und mich als guten Dessauer erinnert er natürlich mehr an einen Windkanal denn eine Konzerthalle…

Und nochmal die Friedensbrücke.

Das ist der Reichstag. Ähhhhh. Nicht. So ging es der CDU vor ein paar Jahren in einem Imagefilm (kein Witz!). Eigentlich handelt es sich um den Zeremonienpalast, den sich Saakashvili (სააკაშვილი) als Präsidenpalast bauen ließ. Dann wurde er abgewählt und seiner Nachfolgerin war er zu groß. Jetzt steht er leer.

Eine Aussicht auf die Stadt. Jetzt bin ich übrigens auf der Terrasse von dem vorhin angesprochenen Hotel.

Es sieht alles so schön aus…

Ich nutze die Gelegenheit mal, euch ein typisches georgisches Essen vorzustellen: Bohnen im Pott (Georgisch, glaube ich, ლობიო, Lobio). Eigentlich traditionell mit Maisbrot, aber ich fand das andere leckerer. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um Bohnen in einem Tonpott. Die Bohnen sind in der Regel fantastisch gewürzt und überhaupt nicht trocken. Rechts steht Weinlimonade.

Und man konnte der Mutter Georgiens hervorragend beim bemuttern Georgiens zuschauen…

So schön!

Georgien (Symbolbild).

So, das war mein erstes Novemberwochenende. Es war noch ganz sommerlich, aber eigentlich ist es schon auch sehr abgekühlt. Ich hab jetzt ein paar Outdoor-Fitness-Anlagen in der Nähe meiner Wohnung für mich entdeckt und hab ganz viel Spaß. Sonst hatte ich ein bisschen Krise, aber mir geht es wieder richtig gut :). Und ich hab ein neues Hobby: Ich forsche jetzt mit Clara zusammen an unseren Familienstammbäumen und es macht ganz viel Spaß.

Ach, und das ist auch noch ganz wichtig und sollte nicht zwischen den ganzen Bildern untergehen: Ich habe richtig tolle Menschen kennengelernt beziehungsweise weiter kennengelernt und von denen habe ich noch gar nicht erzählt. Lara kenne ich über Simon, den Bruder von Marieke und über die habe ich eine Freundesgruppe kennengelernt, die ganz wundervoll sind. Wir machen recht viel zusammen und ich genieße es sehr, weil das alles sehr liebevolle Menschen sind. Ich erzähle von einigen: Lara ist Österreicherin und unterrichtet an der deutschen Schule, Freddie ist US-Amerikaner und reist viel und wohnt gerade hier. Julie ist Französin, Magda, Polin, Sofie und Elia sind Italiener*innen und die restlichen Namen weiß ich gerade nicht mehr. Aber sie sind alle ganz toll!

Das ist ein žuk und eine Lara.

Aktuelle Empfehlungen

  • ZDF-Dreiteiler „Preis der Freiheit“. Unglaublich gut und sehr erschütternd (immer wieder), zu was Menschen fähig sind. Bei jedem DDR-Vergleich heute könnte ich so an die Decke gehen.

  • Podcast „Das Wort und das Fleisch – Ein Atlas der Christenheit“. Ein Podcast, der sich mit neuerer Kirchengeschichte befasst und die zahlreichen freikirchlichen Strömungen aufdröselt und (kirchen-)politisch einordnet. Sehr sehr toll erklärt. Thorsten Dietz, einer der beiden Hosts, ist Theologieprofessor in Marburg. Der Podcast wurde kürzlich mit dem ökumenischen Predigtpreis ausgezeichnet.

  • Interview „Machen Medien wirklich einen Fehler, wenn sie ‚Kiew‘ statt ‚Kyiv‘ schreiben?“ bei Übermedien. Der Grund, warum ich meistens nicht das deutsche Exonym Tiflis nutze sondern das Endonym Tbilisi, ist übrigens, dass ich mir so sehr angewöhnt habe, Tbilisi zu sagen. Übrigens ist Tiflis die alte Bezeichnung der Stadt (also eigentlich gar keine richtige deutsche Bezeichnung). Auf Wunsch der Georgier*innen änderte die Sowjetunion die russische Bezeichnung im Jahre 1936 entsprechend. In der DDR war tatsächlich auch Tbilisi die offizielle Bezeichnung. Mehr zu „offiziellen Bezeichnungen“ findet ihr im Interview, die gibt es nämlich wirklich.

  • Der „Fußballlinguist“ auf Instagram, TikTok, im Blog oder als Buchautor.