Tsqaltubo

Georgien
News
Autor:in

žuk

Veröffentlichungsdatum

20. Mai 2025

So, es wird mal wieder Zeit. Seit meinem letzten Post ist davon schon eine ganze Ecke wieder verstrichen – ich komme nicht so richtig hinterher zwischen Uni, Projekten, Unterwegs-Sein und Selbstfürsorge. Jetzt sitze ich gerade in der Marshutka nach ქუთაისი (Kutaisi) und berichte nun von meinem Aufenthalt in წყალტუბო (Tsqaltubo). Natürlich war der Anlass, nach წყალტუბო (Tsqaltubo) zu fahren, auch wieder ein Fußballspiel. Der FC Iberia Saburtalo, bei dem ich recht regelmäßig im Stadion in ვაკე (Vake, ein Stadtteil თბილისის (Tbilisis)) bin, gastierte Ende März dort.

Ich hatte sehr viel Lust auf die Zugfahrt nach ქუთაისი (Kutaisi) und so machte ich mich auf den Weg nach Westgeorgien. Ein Hauptgrund, diese lange Reise anzutreten (ca. fünf Stunden Fahrtzeit + Nahverkehr in თბილისი), war für mich die Stadt, წყალტუბო(Tsqaltubo) war nämlich eines der wichtigsten und berühmtesten Kurorte und Thermalbäder in der Sowjetunion. Das liegt vor allem an den laut Wikipedia leicht radioaktiven Thermalquellen (ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt, davon höre ich beim Nachlesen das erste Mal…), die als Heilquellen gegen Rheuma und Gelenkerkrankungen eingesetzt wurden und werden.

Seit dem Zusammenbruch der SU verfiel წყალტუბო (Tsqaltubo) allerdings und so gibt es ziemlich viele verlassene Sanatorien (das sind quasi Heilbäder, ich kannte den Begriff vorher gar nicht), die aber telweise – obwohl verlassen – von Flüchtlingen aus აფხაზეთი (Abkhazien) bewohnt wird. Dazu muss man wissen, dass აფხაზეთი (Abkhazien) mehrheitlich von Georgier*innen (und nicht Abkhazier*innen) bewohnt wurde (die by the way auch über Jahrhunderte friedlich dort zusammenlebten, bis die Sowjets gezielt Konflikte und Ressentiments schürten und nährten, aber das ist eine sehr lange und komplexe Geschichte…), die dann nach dem Sezessionskrieg 2008 von dort fliehen mussten und zu IDPs wurden (internally displaced persons). Nun ja, wenn ich das richtig verstanden habe, leben diese Flüchtlinge teilweise noch in den verlassenen und halbverfallenen Sanatorien – wirklich verifizieren kann ich diese Information allerdings nicht.

Nun ja, meine Bilder, die ich gemacht habe, findet ihr weiter unten und ich nehme euch in den Beschreibungen ein bisschen mit zu meinem Aufenthalt dort. Ich bin nämlich durchaus sehr begeistert von წყალტუბო (Tsqaltubo), bisher eines meiner favorite places in Georgien. Warum, das könnt ihr jetzt sehen und lesen.

Ich mag ja Züge, wie ihr wisst. Deshalb bin ich mit dem Zug nach ქუთაისი (Kutaisi) gefahren und von dort aus mit Marshutka nach წყალტუბო (Tsqaltubo).

Das ist noch nicht წყალტუბო (Tsqaltubo), sondern noch ქუთაისი (Kutaisi) und dort direkt an der Red Bridge ein schönes Haus.

Ähnlich verlassen wie წყალტუბო (Tsqaltubo) ist diese Bücherstation direkt am Kurpark. Aber sie ist so originell!!

Ok, fairerweise muss man sagen, dass წყალტუბო (Tsqaltubo) gar nicht so sehr verlassen ist. Es ist schon deutlich kleiner und weniger fokussiert vom Tourismus als zu Sowjetzeiten, aber vom harten Bruch hat es sich mittlerweile etwas erholt. Und ich verstehe, warum! Ich liebe diesen Ort, diesen großen, nicht-totgespritzten Kurpark, der zum Verweilen einlädt wie absolut kein anderer Park, den ich in Georgien bisher angetroffen habe.

Zugang zu den lauwarmen (ca. Körpertemperatur) Quellwassern gibt es öffentlich übrigens kaum. Dazu muss man sich schon in die verbliebenen bzw. neu eröffneten Kuranstalten einquartieren…

…wobei dieser Ort im Kurpark eine Ausnahme darstellt. Ich kann auf jeden Fall bezeugen, das Wasser ist warm.

Nächste Station: Ein verlassenes Bad. Und da bereiten drei Leute grade eine Videoaufnahme vor. Ich kann’s verstehen: Der Vibe ist prädestiniert zum Raven.

Ihr versteht, was ich meine…

Während meiner gesamten Zeit in Georgien, erlebe ich die Menschen hier schon eher als verschlossen. Vielleicht hat das auch mit der Großstadt zu tun, in der ich nunmal lebe, aber ich glaube, nicht nur. Ich werde in meinem Bericht über eine kleine Armenienreise auf dieses Thema nochmal näher eingehen, denke ich. Jedenfalls waren diese drei hier total freundlich und haben mich, nach dem ich sie gefragt habe, ob ich sie fotografieren darf, erstmal auf einen Schnaps eingeladen.

Irre, was sich die Natur in nur dreißig Jahren zurückholt… Das sind die Treppen zum ersten verlassenen Sanatorium (in dem definitiv noch Menschen in den oberen Etagen wohnen).

Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich hier einfach so Palmen wachsen sehe.

Das ist das Foyer dieses einst prächtigen Gebäudes. Tatsächlich habe ich Eintritt bezahlt, um mich umschauen zu können. Ich glaube, es waren 10 Lari, also ca. 3,30 €. Es gibt zahlreiche Sanatorien in წყალტუბო (Tsqaltubo) und nicht alle von den verlassenen sind auch zugänglich, bei einigen ist es auch „nur“ verboten. Allerdings gibt es auch wegen dieser verlassenen Orte etwas mehr Tourismus, schätze ich. Einen Überblick, der auch immer recht aktuell ist, gibt es auf dem großartigen Blog Wander-Lush.

Ein Konzert- oder Tanzsaal mit einem Flügel.

Der Kronenleuchter erinnert an luxuriöse vergangene Zeiten. Im Hintergrund links sieht man übrigens die – natürlich nicht mehr funktionierenden – Fahrstühle.

Für mich ist schwer nachvollziehbar, wie solch prachtvolle Gebäude so sehr verkommen können. Wenn ich mir aber vor Augen führe, dass kein Gebäude unterhalten immer billiger ist, als es zu erhalten, dann ergibt das ganze schon mehr Sinn.

Und tatsächlich denke ich zum ersten Mal (und hier auch immer wieder): Die Sowjets konnten doch Ästhetik – wenn sie wollten.1

Dieser Baum, der da in der Mitte steht, wurde für einen Film dorthin gepflanzt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob er überhaupt noch lebt, zumindest hatte er keine Blätter – aber es war eben auch noch Ende März.

Mindestens der 2. Stock wird teilweise bewohnt.

Und so sieht das ganze Ding dann von vorne aus.

Auf zum nächsten Sanatorium!

Von nun an wurde ich von einem Hunde begleitet…

Ich glaube, Frühling ist die perfekte Zeit für წყალტუბო (Tsqltubo). Der Gegensatz zwischen Vergänglichkeit und „Auferstehung“ wird da erst so richtig deutlich.

Dieses Sanatorium ist gut sichtbar definitiv unbewohnt.

Mit dabei: eine Süßmaus.2

Zurück im Kurpark – was sind das denn bitte für unfassbar stylische Fahrradständer? Falls hier Städteplaner mitlesen, reißt die Augen auf.

Und das ist der Bahnhof, der zwar vor zehn bis 15 Jahren wunderhübsch saniert wurde, aber nun genauso verlassen ist wie die schon gezeigten Sanatorien. Tatsächlich fährt hier auch längst kein Zug mehr Richtung ქუთაისი (Kutaisi), auch wenn das in der Wikipedia bis dato noch nicht registriert wurde.

…wie unschwer an den Gleisen zu erkennen ist (in echt auch deutlich leichter als auf diesem Bild).

Nun kurz zur eigentlich wichtigen Sache: dem Fußballspiel.Es war ein richtig gutes Spiel – trotz dem 0:0 Endstand. Und es war richtig gut besucht. Leider wurde nicht in dem schönen großen alten Stadion von წყალტუბო (Tsqaltubo) gespielt, aber so war die Tribüne vollends besetzt.

Am nächsten Tag besuchte ich noch die Prometheus-Höhle. Warum die so heißt und was die mit Prometheus zu tun hat, erfahrt ihr gleich.

Ok, ich mach’s kurz: nichts.

Es ist ein reiner Trick, um mehr Touristen anzulocken. Und er funktioniert. Zugegeben, es ist auch wirklich beeindruckend.

Gut, dass ich da war, denn falls mich nun mal jemand fragen sollte, wie ich mir die Halle des Bergkönigs aus Edvard Griegs Programmusik zu Henrik Ibsens „Peer Gynt“ vorstelle: so.

Und mit diesem Bild entlasse ich euch. Ein Grund, warum ich es gerade nicht schaffe, meinen Blog auf dem Laufenden zu halten, ist der Zeitaufwand. Ich hab jetzt die ganze Fahrt geschrieben, das waren gute 2,5 Stunden…

Habt es gut und nun gibt’s noch eine Empfehlung:

Aktuelle Empfehlungen

  • Wenn ihr schon immer mal wissen wolltet, wo der Mond die Erde küsst, ihr euch gerne von neuen nischigen Musikempfehlungen inspirieren lasst oder alternativ wie ich schon großer „Fan“ von David Lübke seid, der ganz wundervoll in die Tradition des Zupfgeigenhansels passt (die Band, nicht das Liederbuch), dann könnt ihr seine neue Albumproduktion unter diesem Link unterstützen. Mittlerweile sind 95 % des Ziels schon erreicht, aber es schadet nicht, sich auf diesem Wege gleich das neue Album und ggf. mehr zu sichern. David macht richtig tolle Musik und ich warte schon seit über einem Jahr auf ein neues Album. Also, ran an die Bouletten!

Fußnoten

  1. Das wird dem Thema natürlich nicht gerecht, schließlich war წყალტუბო (Tsqaltubo) mehr Luxusgut als alles andere.↩︎

  2. Und bevor erbse an dieser Stelle ihrem inneren Drang nicht standzuhalten vermag: Ich weiß, es handelt sich bei diesem Tier keineswegs um eine Nagetiergattung aus der Gruppe der Altweltmäuse (Murinae), die fast 40 Arten umfasst, wie mir Wikipedia gütigerweise mitteilt. Und obgleich ChatGPT der Meinung ist, eine Süßmaus sei ein

    „kleines Nagetier, das zur Familie der Mäuse gehört. Der Begriff “Süßmaus” wird oft umgangssprachlich verwendet und kann sich auf verschiedene Arten von Mäusen beziehen, die als besonders niedlich oder ansprechend wahrgenommen werden. In der Regel handelt es sich um Tiere, die in der Natur oder als Haustiere vorkommen.“ ChatGPT, 2025

    – danke soweit –, so handelt es sich bei der Bezeichnung „Süßmaus“ mitnichten um ein real existierendes Nagetier, sondern vielmehr um ein besonders süßes und liebes Lebewesen, wobei „süß“ sich ebenso wenig auf die Geschmacksrichtung bezieht, wie „erbse“ auf den Pisum sativum, ein Schmetterlingsblütler innerhalb der Familie der Hülsenfrüchtler. So genug Klug geschissen (was täte ich nur ohne Wikipedia…), aber das musste an dieser Stelle mal gesagt werden.↩︎