Und munter geht es weiter mit Berichten über die letzten Monate, denn Ende April war ich endlich in გორი (Gori). Natürlich war auch da ein Fußballspiel der Anlass, aber das Stalin-„Museum“ stand sowieso schon länger auf meinem Zettel. Und so fuhr ich also nach გორი (Gori), eine Stunde nördlich von თბილისი (Tbilisi) gelegen.
Vom Marshutka-Bahnhof lief ich Richtung Innenstadt und machte zuerst an einer Kirche halt:
Nun ja, nach dem Krieg 2008 gab es Initiativen der Regierung სააკაშვილი (Saakashvili), das Stalin-„Museum“ umzugestalten. Kritischer und ein Museum der russischen Aggression sollte es werden. Allerdings entschied sich die Stadt Gori gegen diese Pläne. Lediglich einen kleinen Raum rechts von der großen Eingangstreppe im Foyer (siehe Bild oben) weist auf den Kaukasuskrieg hin – allerdings eben auch absolut random und ohne große Kontextualisierungen. Ich gehe auch fest davon aus, dass Führungen auf Russisch ganz anders ablaufen als die englischsprachigen. Unser Guide hat jedenfalls betont, dass die Ausstellung sehr alt sei (wenn ich mich richtig erinnere, aus den 70ern). Auf die Frage, warum man sie nicht neu mache, wusste sie allerdings keine Antwort…
Das ist auch deswegen absurd, weil es Stalin war, unter dem speziell die Georgier*innen besonders zu leiden hatten. Stalin sah sich auch selbst nicht als Georgier, sondern als Russe. Unter ihm gab es die große Politik der Russifizierung in der Sowjetunion. Trotzdem sind viele Georgier*innen stolz auf ihn, weil er Georgier war. Das verstehe ich auch irgendwie, denn Georgien ist nicht wie Deutschland oder die meisten europäischen Staaten, die weltberühmte Menschen (meistens Männer 😢) als ihre Staatsbürger zählen können. Goethe, Thomas Mann und Co. wurden natürlich auch ins Georgische übersetzt, Yana und Saleko haben Bände davon bei sich zuhause stehen. Für Georgien gilt das nicht? Kennt ihr eine historische bedeutende georgische Persönlichkeit außer Stalin (Shevardnadze zählt nicht, weil das zeitlich noch zu nah ist)? Ich bin gespannt auf Nachrichten…
Nun ja, so kommt es, dass man in quasi jedem Souvenirshop hier Socken mit Stalins Gesicht kaufen kann. Das sind vor allem Produkte für Chines*innen, sagte mir ein lokaler Guide aus თბილისი (Tbilisi) – die in China produziert werden. Das ist wahrlich Ironie.
Aber eigentlich war ich natürlich nur für Fußball da und so ging es dann am Abend zum Spiel Dila Gori gegen den FC Gagra, das გორი (Gori) mit 2:0 für sich entschied.
Aber natürlich ist გორი (Gori) viel mehr als Stalin. Und deswegen besuche ich die „Alternative Gori Walking Tour“ von ჟანა ოდიაშვილი (Zhana Odiashvili). Dicke Empfehlung an dieser Stelle!
Das war’s erstmal. Ich bemühe mich um baldige Fortsetzung :)
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Voller Zuversicht verlassen 937 jüdische Flüchtlinge 1939 den Hamburger Hafen. Nazideutschland hinter sich, die Freiheit vor sich. Ein Visum für Kuba verspricht ein Leben ohne Angst. Doch Havanna verweigert die Einreise. Kapitän Schröder nimmt Kurs auf die USA. Auch Washington lässt die “St. Louis” nicht in einen sicheren Hafen. Als auch noch Kanada die Aufnahme verweigert, gerät die Fahrt in die Freiheit zur Odyssee auf dem Atlantik.
Immer wieder: „Lage der Nation“, der wichtigste deutschsprachige Politik-Podcast. In der letzten Folge wurde u.a. thematisiert, wie wichtig digitale Unabhängigkeit von US-amerikanischen Unternehmen wie Microsoft, Apple, Google und Meta ist. Weil Trump den Internationalen Strafgerichtshof sanktioniert hat, weil dieser einen internationalen Haftbefehl auf den Kriegsverbrechen beschuldigten Benjamin Netanjahu (israelischer Regierungschef) ausgestellt hat (was Trump nicht in den Kram passt), konnte der IStGh nicht auf seine (Outlook-)E-Mails zugreifen. Das zeigt wieder einmal, wie wichtig #PublicMoneyPublicCode und digitale Unabhängigkeit von US-amerikanischen Konzernen ist. Wie es nicht geht, plant gerade die Bundeswehr (auch dazu Details in der aktuellen Lage, Folge 433).