Und dann war es Zeit für ბათუმი (Batumi)! Die georgische Schwarzmeer-Metropole ist mir bisher nur ganz zu Beginn, als ich, krank, von Levan abgeholt wurde. Da sind wir allerdings auch nur durchgefahren. Ah, und ich war schonmal bei einem Fußballspiel der georgischen Nationalmannschaft gegen die Ukraine im Stadion – auch nur ein sehr kurzer Aufenthalt… Wie ihr euch denken könnt, war auch dieses mal wieder ein Fußballspiel der Anlass meiner Reise: დინამო ბათუმი (Dinamo Batumi, der Heimatverein von ხვიჩა კვარაცხელია (Khvicha Kvaratskhelia), der gerade mit dem Konstrukt PSG die Champions League gewonnen hat) gegen დილა გორი (Dila Gori).
Aber erstmal ein paar Infos zu ბათუმი (Batumi): ბათუმი ist die Hauptstadt der Region აჭარა (wörtlich Achara, aber alle sagen Adjara, keine Ahnung…), hat gute 170.000 Einwohner*innen. ბათუმი ist die zweitgrößte Stadt Georgiens. Es gibt alles, was es für diesen Status braucht: Eine Universität, einen Eisenbahnanschluss (wobei der Güterverkehr wesentlich mehr Relevanz haben dürfte als der Personenverkehr), einen eigenen Flughafen und vor allem: einen Hafen. Von hier aus wird vor allem Erdöl aus Aserbaidschan, aber auch aus Kasachstan und Turkmenistan raffiniert und verschifft/umgeschlagen.
Tatsächlich ist ბათუმი eine sehr diverse Stadt. Die meisten sind Georgier*innen, aber es gibt auch zahlreiche Armenier*innen, Russ*innen und einige Abchasier*innen, Ukrainer*innen und Griech*innen.
In Batumi war ich zwei Nächte. Am ersten Abend war das Fußballspiel, dann hab ich mir die Stadt angeschaut. Ich muss sagen: Etwas strange, das alles. Das meine ich überhaupt nicht negativ, ich finde diese Mischung einfach wild. Die Altstadt ist wunderschön, viel sauberer und kleiner und netter als das große თბილისი (Tbilisi). Die Straßen sind kleiner und dafür genauso gefüllt, aber eben lange nicht so laut wie die თბილისის (Tbilisis). Auf der anderen Seite hat man dieses protzige, die riesigen Wolkenkratzer, die kostspielige Architektur, die zahlreichen Hotels, die letztlich doch den Eindruck einer Immobilienblase hinterlassen, die auf den großen Knall wartet. Vielleicht ist es auch nicht so, aber der Eindruck ist schon da. Tourist*innen gibt es jedenfalls, ich habe mehr Leute Russisch sprechen hören als Georgisch, das war sehr seltsam für mich. ბათუმი (Batumi) hat gemischte Gefühle bei mir hinterlassen. Es ist nicht meins, leben wollen würde ich da nicht, aber die kleinen Straßen haben mich schon jetzt sehnsüchtig an Marburg denken lassen. Ich bin auch froh, der Großstadt nach diesem Jahr wieder entfliehen zu können.
Nach dem ultraheißen Vormittag und Mittag, an dem ich das erste Mal seit meinem Verlassen von Deutschland wieder Fahrrad gefahren bin, war ich so fertig, dass ich erstmal Pause gemacht habe. Danach habe ich Bundesliga-Finale geschaut und dann war es kühler. Eigentlich wollte ich mir dann noch die Stadt anschauen, aber dann bin ich mit Lika ins Gespräch gekommen und da stellte sich heraus, dass ihr Mann გელა შეყილაძე (Gela Sheqiladze) Cheftrainer der tadschikischen Nationalmannschaft ist und da war ich natürlich ganz Ohr. გელა (Gela) hat mit დინამო ბათუმი (Dinamo Batumi) den georgischen Pokal gewonnen und hat auch in Belgien und der Ukraine gespielt. Dann musste er wegen Herzproblemen seine Karriere beenden und wurde Fußballtrainer. Mit dem Deutsch-kroatischen Trainer Petar Segrt trainierte er als Co-Trainer die Georgische U21-Nationalmannschaft, die afghanische und die maledivische Nationalmannschaft sowie eben die tadschikische, die er nach dem plötzlichen Rücktritt Segrt als Cheftrainer übernahm. Das war unfassbar spannend und interessant. Es muss für Lika auch ganz schön krass sein, einen Partner zu haben, der so weit weg ist. Jedenfalls steckt sie sehr viel Liebe in dieses Hostel.
Lika erzählt mir auch, dass es in ბათუმი immer noch Proteste gibt. Ob die jeden Abend stattfinden, weiß sie aber nicht. Ich habe nachgeschaut, aber leider nichts gefunden. Das ist tatsächlich Fluch und Segen zugleich, wenn man Politikwissenschaften studiert. Da der Beruf bzw. das Studienfach zum Smalltalk-Thema Nummer eins gehört, kommt das definitiv nicht in die Kategorie Smalltalk zählende Thema Politik quasi immer zur Sprache. Das ist in den allermeisten Fällen sehr spannend, weil die Leute sich dadurch, so mein Eindruck, immer recht ermutigt fühlen, ihre Gedanken offen zu teilen, weil ich mich ja dafür interessiere(n muss). Das war bei der Frau in გორი (Gori) so, die der Sowjetzeit nachtrauert (vermutlich natürlich mehr dem Gefühl der Sicherheit dieser Zeit) und eben auch bei Lika. Lika ist politisch auf jeden Fall sehr ok und vertritt liberale Einstellungen. Das macht sie natürlich noch etwas sympathischer, als sie eh schon ist. Von Christof und Claudia, mit denen ich aktuell die letzten Tage verbracht habe (Bericht folgt noch!), weiß ich, dass die politische Einstellung auch sehr im Weg sein kann, wenn sie ein großes Thema ist. Das meine ich dann auch mit Fluch: Ich kann dem Thema durch mein Studienfach nicht wirklich ausweichen, auch wenn ich unterwegs bin.
Und das war es schon, was ich von ბათუმი (Batumi) zu berichten habe. Mit dem Zug ging es zurück in mein თბილისი (Tbilisi). Das alles ist jetzt so ziemlich genau drei Wochen her und in dieser Zeit waren auch meine guten Freund*innen aus Marburg, Christof und Claudia, da, die gerade auf Sabbatical-Weltreise sind. Ich muss jetzt erstmal wieder nh Menge Fotos aussortieren, aber möchte schonmal eine Sache vorweggreifen: Es war eine unfassbar schöne Zeit mit den beiden. Und auch mit Mama, die mit einer Freundin jetzt gerade in სვანეთი (Svaneti) wandert. Der nächste Besuch steht auch schon vor der Tür und parallel ist noch Prüfungsphase. Es ist alles ein bisschen doll, aber im Moment komme ich sehr gut ohne zu viel Stress durch.
Habt es gut und bis bald!
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