Auf Fahrt

Georgien
News
Autor:in

žuk

Veröffentlichungsdatum

27. August 2025

Dann folgte ein weiteres Mal der ბორჯომი (Borjomi) Nationalpark. Der ist nämlich einfach viel zu schön, um den nur einmal zu durchwandern. Also macht euch gefasst auf eine neue Variation epischer Fahrtenbilder.

Am Morgen, Donnerstag, geht es wieder recht früh los. Um 13 Uhr nehmen wir den Linienbus nach აწყური (Atsquri), den Startpunkt unserer Fahrt. Unterwegs fahren wir auf eine Burg in აწყური (Atskuri) zu, die sieht wirklich toll aus. Aber leider ist dafür heute keine Zeit, wir haben noch einiges vor uns. Da kommt es nur gelegen, dass ein Georgier auf einem dieser Möchtegern-Trecker uns anbietet, mitzufahren.

Na, da sagen wir nicht Nein. Nach ein bis zwei Kilometern steigen wir ab und uns wird ein USB-C-Kabel überreicht. Das sollen wir mitnehmen, es wird jemand erwarten auf dem Weg zum ამარათი (Amarati) Shelter. Na dann, wenn das mal nicht schiefgeht, denke ich. Aber gut, wir nehmen das Kabel und machen uns zu Fuß weiter auf den Weg.

Zu Beginn ist der Weg noch sehr eben.

Als wir an der Ranger-Station ankommen, die uns laut telefonischer Auskunft von Personen des Nationalparks den Passierschein ausstellen kann, ist niemand da. Niemand, der uns einen Passierschein ausstellt, niemand, der Geld nimmt, niemand, der uns nicht rein lässt. Es ist zwischen zwei und drei Uhr, also schon etwas seltsam. Nun ja, wir gehen trotzdem rein. Wenn wir jetzt nicht losgehen, verlieren wir zu viel Zeit…

Schon bald ging es ordentlich bergauf, mit Anstiegen von über 30 %.

Pünktlich zu Beginn des hohen Anstiegs fängt es an zu gewittern. Na toll. Nicht immer munter und auch nicht Berge runter, sondern eigentlich nur hinauf geht es weiter, immer weiter.

Trotz unseres späten Starts und dem enormen Anstieg machen wir immerhin 14 Kilometer am ersten Tag.

Gegen 19 Uhr treffen wir dann tatsächlich auf den Empfänger des USB-C-Kabels. Er wartet auf einer ebenen Fläche zusammen mit seinem Hund auf uns. Verrückt, dass das wirklich funktioniert hat.

Offenbar lebt er hier – im Nationalpark.

Die Aussicht von hier oben lohnt sich jedenfalls.

Gestartet sind wir bei ca. 900 Höhenmeter, am Abend reißen wir dann knapp die 2.000er-Marke.

Es ist schon sehr spät und langsam wird es dunkel. Wir hätten noch etwa eine halbe bis ganze Stunde Strecke bis zum Shelter und so beschließen wir, wild zu zelten. Dadurch fehlt uns aber am nächsten Morgen Wasser, da wir ja nicht auffüllen konnten. Deswegen brechen wir rasch und ohne Frühstück auf. Ich gehe vor, um schonmal aufzufüllen und komme Mattheus dann mit Trinken und Frühstück entgegen – aber wir verpassen uns. Der kürzere Weg hinab zum Shelter war nicht ausgeschildert, ich hatte mit einer Jacke, die neben dem Weg lag, auf dem Weg einen Pfeil gemacht, aber das war offenbar nicht eindeutig genug. So hatten wir also etwas Drama am Morgen und brauchten danach erstmal eine ausgiebige Essens- und Erholungspause.

Zeit, um Schmetterlinge zu fotografieren. Foto: Mattheus.

…davon gibt es hier nämlich so einige. Foto: Mattheus.

Und dann geht es weiter voran. Auch heute geht es wieder ordentlich nach oben, dafür werden wir ständig mit grandioser Aussicht belohnt. Zwischendurch überholten uns – nach wie vor mitten im Nationalpark – zwei Motorradfahrer, die wild abseits der Wege durch die Gegend fuhren. Mittlerweile überkommen mich einige Zweifel ob der Ernsthaftigkeit dieses Nationalparks…

Foto: Mattheus.

Immer weiter nach oben geht’s. Wir erreichen unseren höchsten Punkt auf knapp 2.500 Metern Höhe. Foto: Mattheus.

Und auch hier wachsen wieder Massen an Rhododendron.

Foto: Mattheus.

Und dann geht es auch mal wieder nach unten – und gleich für den Rest des Tages. Foto: Mattheus.

Foto: Mattheus.

Nach einem sehr, sehr langen Abstieg (von über 2.500 auf nur noch knapp 1.800 Meter) schlagen wir unser Zelt neben einer verlassenen und verfallenen Schäferhütte auf. Heute gibt es Linsen mit Gurke, Paprika und Svaneti Salz – köstlich.

Am nächsten Morgen lerne ich die vier Lieder aus dem BGB, die ich bis dato noch nicht kannte. Foto: Mattheus.

Verwuscheltes Fahrtenhaar. Foto: Mattheus.

Am nächsten Tag geht es munter weiter Berge runter und wieder hinauf, wir treffen wieder viele Kühe, die diesmal aber sogar eigene Gatter hatten – wie gesagt, spannende Verhältnisse für einen Nationalpark, finde ich.

Auch heute wieder fantastischer Ausblick…

…bis er im Wolken-/Nebelmeer verschwindet.

Und dann begegnete uns ein Wolf, ganz kurz vorm Shelter (der sich wenig später als pure Baustelle entpuppte). Es war nur eine sehr kurze Begegnung, wir bogen gerade links ab und Mattheus meinte nur „Achtung, Wolf!“, ich sah kurz auf, da war ein grau-weißliches Tier, so groß wie ein Hund und sah uns an. Ein oder zwei Sekunden später drehte es sich lautlos um und lief sehr elegant davon. Wir haben dann nochmal drüber nachgedacht, ob es wirklich ein Wolf war, aber ein Hund hätte deutlich anders reagiert und ein Fuchs war deutlich kleiner – und Wölfe gibt es im ბორჯომი Nationalpark. Eine sehr wertvolle Begegnung, einen Wolf in freier Wildbahn zu sehen, ist wirklich etwas außergewöhnliches. Ein so elegantes Tier habe ich noch nie zuvor gesehen.

Auch wenn es rational natürlich nicht begründet war, waren wir beim Zeltaufbau und Wasserholen etwas extra laut. Wenig überraschend sahen wir ihn auch nicht wieder.

Der nächste Tag brach an und nach einiger Zeit traf ich auf eine bekannte Stelle, an der Jakob und ich vor einigen Wochen auf die anderen drei gewartet hatten, kurz vorm Shelter. Ich hatte die Route extra so geplant, dass wir möglichst wenig Überschneidung haben würden, und so ging es denn auch überschneidungsfrei den Berg hinunter, oft relativ steil.

Am Abend singen wir die letzten Lieder, die wir aus meinem Fahrtenliederbuch noch nicht gesungen hatten. Früh ging’s ins Bett, denn noch viel früher mussten wir am nächsten Morgen los. In ბორჯომი (Borjomi) angekommen, trennten sich unsere Wege wieder. Es gab sogar diesmal eine Direkt-Marshrutka nach ქუთაისი (Kutaisi).

Insgesamt waren wir gute 50 Kilometer lang unterwegs, in denen es knapp 2.600 Höhenmeter rauf und knapp 2.700 Höhenmeter runter ging. Es war eine sehr tolle Tour, auch wenn zwischendurch zahlreiche Bäume die Wege versperrten, was gerade mit viel Gepäck sehr anstrengend ist. Zweimal mussten wir durch eine Wildwiese ohne beschilderten Weg, die weit über zwei Meter hoch ragte. Auch das war sehr kräftezehrend.

Einige Tage nach Mattheus’ Abreise stieß ich dann beim unabhängigen Medienportal OC Media auf diesen Artikel. Einem deutschen Trans-Menschen wurde aus fadenscheinigen Gründen die Einreise nach Georgien verweigert. Mattheus, der auch trans ist, hatte auch von einer außergewöhnlich langen Passbegutachtung erzählt und ich bin echt froh, dass zumindest bei ihm alles gut gegangen ist.