Nun ist es soweit, die letzten Tage sind angebrochen und es gilt Abschied zu nehmen von Georgien. Wie viel Zeit bis zu einem Wiedersehen ins Land gehen wird, ist unklar, aber einige Jahre werden es sicher sein.
Nach meiner Rückkehr aus სვანეთი (Svaneti) brechen meine letzten Tage in თბილისი (Tbilisi) an. Es fühlt sich seltsam an, dieser mittlerweile etwas mehr vertrauten Stadt nach so langer Zeit mehr oder weniger endgültig den Rücken zu kehren. Aber auch gut, denn irgendwie habe ich auch genug von Großstadt, von Lärm, von langen Fahrtzeiten.
Wir feiern mit Saleko, Yana und Mariam noch Mariams Bachelor-Abschluss, die ist nämlich auch fertig geworden, und dann geht es für mich nach წიფნარი (Tsipnari), das Dorf, das ihr schon kennt, wo Levan wohnt und Saleko ein Sommerhaus hat. Die letzten anderthalb, zwei Wochen werde ich dort verbringen. Ohne viel Stress, ohne Städtetrips, mit viel Ruhe und Dinge, auf die ich Lust habe.
Die ersten Tage hat es sehr viel geregnet, richtig wild und mystisch sah die Landschaft aus.
In წიფნარი (Tsipnari) und überhaupt in გურია (Guria) wurde früher ganz viel Tee angebaut. Irgendwann wechselte man aber zu Haselnüssen und zurzeit ist Haselnussernte (wir befinden uns zeitlich in den ersten beiden Augustwochen). Ich helfe Levan ein bisschen bei der Ernte (er pflückt die Nüsse direkt vom Baum) und dann auch beim Säubern. Da die Haselnüsse ja in so einer Art Halterung stecken, müssen sie dort erst rausgepult werden. Je nach Reifung der Nuss geht das mal leichter und mal schwerer. Levans Mutter Lamala sitzt dann den ganzen Tag und säubert die Haselnüsse und abends will sie gar nicht mehr aufhören – das ist sehr süß.
Dann muss Levan los, denn er fliegt nach Deutschland zum Geburtstag meiner angeheirateten Großtante, der Mutter von Ingo. Währenddessen ist seine Schwester und ihr Mann bei seiner Mutter, die können kein Englisch, weswegen ich umziehe zu Saleko, der am nächsten Tag mit seiner Mutter Luise und Tornike anreist. An einem Tag fahren wir sehr weit in die Berge Richtung ბახმარო (Bakhmaro), um Lachs zu kaufen, der dort gezüchtet wird.
In den letzten Tagen besuche ich noch ab und an Levans Schwester und Lamala, esse Melone und helfe beim Haselnussschälen.
Ich spaziere viel durchs Dorf und genieße die Stille und das Privileg, hier einfach so spazieren zu können. In საგურამო (Saguramo), wo Salekos Wochenendhaus steht, war das nie möglich, weil die Straßenhunde dort so aggressiv sind, dass ich nicht weiß, ob ich heil zurückkäme.
Und ich erfahre dann nochmal sehr traditionelle georgische Gastfreundschaft, auch bei einem Dorfspaziergang. Als ich nämlich am Friedhof vorbeigehe, komme ich an einer Gruppe essender und trinkender Georgier vorbei, die mich sofort ranwinken und mir was zu Essen in die Hand drücken und einen Plastikbecher mit Wein füllen. Dann wird gefragt, wo ich herkomme, es wird auf mein Wohl, auf das Wohl der Anwesenden, der Toten und so weiter getrunken (immer auf ex, davon wurde ich bei Saleko glücklicherweise immer verschont). Aber auch essen muss ich viel, dumm nur, dass ich quasi frisch vom Mittagstisch kam…
Aber ja, so ist das, denke ich. Ein Grund, warum ich so wenig Gastfreundschaft erfahren habe (im Verhältnis zum Ruf Georgiens diesbezüglich), ist sicher die Touristisierung. Und გურია (Guria) und natürlich წიფნარი (Tsipnari) im Speziellen sind wenig bis gar nicht touristisch erschlossen (zum Glück). „Der Tourismus zerstört das, wonach er strebt“, habe ich flèche im Ohr, der auch Reiseführer ist (und es entsprechend wissen muss ;) ).
Ich glaube auch, dass das der schönste Abschluss war, den ich bekommen konnte. Kein Reisestress, nicht zu viel Hitze, Dinge machen, auf die ich Lust habe: Lieder setzen, Spazieren, Haselnüsse säubern. Die Stille genießen, Fotografieren und ein wenig wehmütig zurückblicken auf das Jahr und die Zeit, die hier in diesem Land hinter mir liegt.